Nicht jeder Teppich ist rot

Es ging mir um ein ganz bestimmtes Zitat, in dem von einem Teppich die Rede war. Ich hatte nur noch eine vage Vorstellung davon, was ich einmal gelesen hatte, und googelte „Sprache Teppich ausrollen“. Leider erhielt ich nur Textstellen, in denen von einem roten Teppich die Rede war.

Erst nach längerem Suchen gelang es mir, im Spiegel-Archiv den Namen des Autors und die gesuchte Textstelle zu finden. Darin wurde der Sprache nicht etwa ein „roter Teppich ausgerollt“, noch wurde ein solcher überhaupt ausgerollt, sondern regelrecht ausgebreitet.

Teppiche werden von uns nämlich ausgebreitet, wenn wir über irgendwas mit irgendwem sprechen.

„Wir reden“, erklärt Dirk Baecker, „um immer mehr von dem zu verstehen, von dem wir gleichzeitig immer weniger verstehen.“

Das muss man erstmal zweimal lesen. Und auch dann versteht man es eher nur annäherungsweise.

„Wir reden, um einen Teppich auszubreiten, über den wir dann laufen können und unter dem wir die Welt vermuten. Wir reden nicht, um etwas herauszufinden, sondern um etwas auszuprobieren.“

Das Ich erfindet und zeigt sich mit jedem Satz neu. Es ist nie das gleiche wie noch vor ein paar Minuten. Wir sprechen, um uns voranzutasten, um alles bisher Gesagte und Gehörte weiterzuentwickeln, und um „zu hören, wie es klingt, am Klang zu erkennen, was wir eventuell noch meinen, und am Gegenüber zu erleben, wie weit das reicht.“

Wie weit hat das (bis zu) Dir jetzt gereicht, lieber Leser?

http://magazin.spiegel.de/EpubDelivery/spiegel/pdf/52715204

16 Gedanken zu “Nicht jeder Teppich ist rot

      • Ok, jetzt verstehe ich, was Du meinst. Danke Dir. Ich mag auch die Spiegel-Sprache wie sie Enzensberger mal charakterisiert und kritisiert hat. Leider ist sie bei Spiegel Online zur sehr viel Besserwisserei, Schlaumeiertum und reisserischem Stil verkommen. Aber das ist eine andere Geschichte. Den verlinkten Artikel über Dirk Baecker fand ich jedenfalls auch sehr interessant. Danke für Dein Interesse und liebe Grüsse!

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  1. Immer schön auf dem Teppich bleiben, sonst ist man schnell von der Rolle… 😉 Es reicht! Übrigens bis zu mir, dem fliegendem Teppichhändler unter den ambitionierten Sprachpanschern… Schönen Gruß!

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  2. Je mehr man über etwas weiß, desto mehr wird klar, wie wenig man darüber weiß…?
    Ich selbst rede aber durchaus auch, um etwas herauszufinden durch die Reaktion des Gegenübers.
    Wenn Dieses, vor meinem ausgebreitetem Teppich stehend, überhaupt noch versteht, was genau ich eigentlich meine und sagen will….. 🙂

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  3. Manche geredeten Teppiche sind auch so etwas wie Schaumteppiche der Feuerwehr – man erstickt damit das Feuer der anderen und hat dabei selber oftmals auch noch Schaum vor dem Mund…

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