Abt. Kitsch, KI und Kommunikationswissenschaft

Ein Artikel der hochgeschätzten Bloggerkollegin und Literaturwissenschaftlerin Myriade fand sofort meine verschärfte Aufmerksamkeit. Es geht darin um GPT-3, ein KI-Programm für automatische Texterstellung. Man kann damit, vereinfacht gesagt, Texte aller Art zu jedem beliebigen Thema in Auftrag geben, die aussehen wie von Menschenhand geschrieben.

Das wollte ich doch gleich mal ausprobieren und schrieb Folgendes in die Eingabemaske.

Schreibe eine Kurzgeschichte über einen Kommunikationsforscher, der ein Buch über „Die Sprache der Hände“ geschrieben und ein erstes Date mit einer wunderschönen Frau hat.

Mit dem Begriff von der „wunderschönen Frau“ wollte ich gleich mal testen, ob das Programm diesen zum Anlass von kitschigen oder sexistischen Ausschweifungen nehmen würde, um eine erfundene Person näher zu beschreiben. Dem war nicht so. Es erschien nach etwa einer Minute folgender Text.

Der Kommunikationsforscher hatte jahrelang über die Sprache der Hände geforscht und endlich sein Buch veröffentlicht. Er war aufgeregt, als er zu seinem ersten Date mit einer wunderschönen Frau ging.

Sie trafen sich in einem Restaurant und setzten sich an einen Tisch. Während sie plauderten und aßen, beobachtete der Kommunikationsforscher ihre Hände aufmerksam. Er sah, wie sie nervös ihre Haare zurückstrich, wie sie ihre Gabel hielt und wie sie ihre Hände auf dem Tisch platzierte.

Er erkannte, dass sie unsicher war und versuchte, das Gespräch in Gang zu halten, indem er ihr Fragen stellte und ihr zuhörte. Er bemerkte auch, dass sie sich entspannte, als er über seine Forschung sprach und ihr einige Beispiele aus seinem Buch gab.

Am Ende des Abends gingen sie zusammen nach Hause und der Kommunikationsforscher war glücklich, dass er in der Lage war, die Sprache der Hände zu lesen und das Date zu einem Erfolg zu machen. Er wusste, dass er noch viel zu lernen hatte, aber er freute sich auf die Zukunft mit dieser wunderschönen Frau.

Die Geschichte ist, wenn auch am Schluss doch noch ziemlich kitschig, eine ziemliche Leistung. Auch wenn – oder gerade weil – es im Stil eines Heftromans verfasst ist. Was wohl auch an meiner Vorgabe liegt.

Im genannten Artikel von Myriade, der zwei solcher Textproben enthält, überwiegen die negativen Kommentare und Warnungen vor möglichem Missbrauch aller Art. Meinen Kommentar bezüglich der von mir provozierten Kitschigkeit des Textes kommentiert sie so: „Es ist alles irgendwie kitschig. Wahrscheinlich geht es aber auch anders. Vermutlich will man vermeiden, dass diese frei zugängliche KI zum Schreiben von Hassbotschaften und ähnlichem verwendet wird.“ Hier der Link zum ganzen Eintrag:


https://laparoleaetedonneealhomme.wordpress.com/2023/01/20/was-meint-die-kunstliche-intelligenz-zum-fluchtsieger/

7 Gedanken zu “Abt. Kitsch, KI und Kommunikationswissenschaft

  1. Mir fällt vor allem auf, dass die Satzstruktur sehr einfach gehalten ist. Gefühle werden konkret benannt. „Er war aufgeregt…“. Ein Literat müsste diese Aufregung schildern, so dass man es als Leser verstünde, ohne dass das Wort „aufgeregt“ irgendwo zu lesen. Als Zusammenfassung einer Geschichte würde ich es durchgehen lassen. 😉

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  2. Schade, dass weder in deinem Beitrag, noch dem von Myriade erwähnt wurde, welches Programm genau genutzt wurde, denn da gibt es ja unzählig viele. Und auch sie bezieht sich nur auf Werner – doch wer ist Werner? 🙂
    LG Bea

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  3. Die englischsprachige Welt amüsiert sich grad mit Chat GPT.
    Das Ding erzählt auch Mist und ist mit den üblichen KI-Macken gesegnet (Rassismus etc.), weil es das halt nicht erkennen kann.
    Ich finds einerseits ziemlich geil und andererseits ziemlich beängstigend. Das gleiche gilt für Deep Fakes.
    Vermutlich werden wir jedoch nie wieder davon los kommen und 1984 wird hoffentlich nicht mehr Realität bevor ich sterbe.

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  4. Das ist ein schönes Beispiel. Allerdings ja, die Sprache ist einfach und direkt, wenig literarisch, und wenn man will, kann man den kitschigen Schluss bemängeln. Ich war wohl etwas weniger streng mit der Beurteilung der Produktion von GPT 3. Ich habe davon auch ein Müsterchen auf meinem Blog „Hulls Labor“ veröffentlicht. Ich fand es letztlich ganz nett, den Ball aufzunehmen und weiterzuspielen.

    Was mich mehr verblüfft, ist die Fähigkeit des KI-Programms, komplexe Texte zu interpretieren und zusammenzufassen. Ich habe Beispiele aus Literatur, Philosophie und Liedtexte verwendet. Zum Beispiel hat das Programm die Andeutungen und Bilder von Gianna Nannini in „America“ auf Anhieb verstanden und auf den Punkt gebracht. Das Programm scheint mir (bis jetzt noch) weniger geeignet zu sein, gute Texte zu kreieren, als Texte gut zu verstehen.

    Ich nutze es auch seit ein paar Wochen als Sprachlehrer beim Italienisch lernen. Seine Erklärungen und Beispiele zu Fragen der Grammatik sind gut brauchbar. Manchmal verwechselt es zwar noch Lateinisch und Italienisch… Auch gut beherrscht es Rollenspiele, wenn man es z.B. instruiert, einen Kellner im Ristorante zu spielen und man selber dann den Gast gibt. Ich denke, solche Sprachmodelle werden unsere Art der Arbeit, der Kommunikation, der Recherche und des Lernens schon bald deutlich verändern.

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    • Danke Dir herzlich für Deinen ausführlichen, informativen und kompetenten Kommentar. Er enthält zahleiche Anregungen, die nicht nur mir sondern sicher auch Anderen sehr willkommen und nützlich sind oder sein werden. Da tun sich noch jede Menge Möglichkeiten auf. Ich sehe vor allem das positive Potential dieses KI-Programms, Missbrauch kann man eh nie ausschliessen. Dieser Kommentar ist von mir persönlich verfasst und getippt.

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