Leben zweiten Grades

In dem Film „Eva“ mit Isabelle Huppert und dem vor einem Jahr im Alter von 37 Jahren durch einen Ski-Unfall verstorbenen Gaspard Ulliel ist im Zusammenhang mit einem Theaterstück zweimal von einem „Deuxième degré“ die Rede. Einmal gesprochen und einmal in einer WhatsApp-Nachricht. In der Synchronisation wird das eine „zweite Stufe“ genannt. Beides ist in jedem Fall unverständlich.

Erstens schon auf Französisch und zweitens, weil es im Deutschen keine Entsprechung für diese Bezeichnung gibt. Ich würde eher von einer Betrachtung „zweiten Grades“ sprechen. Oder von einer Wahrnehmung aus der zweiten Reihe, bin aber auch hier noch etwas unsicher.

Ich denke mal, dass damit eine Betrachtung gemeint ist, die nicht 1:1 ist, sondern aus einer gewissen Distanz. Und damit nicht mehr wirklich authentisch. Also etwa 1:2, wobei „2“ eben eine Betrachtungweise aus etwa doppelter Ferne bedeutet.

Wobei Solches nicht nur auf Rezeption durch eine wahrnehmende Person anwendbar ist, sondern auch auf aktives Handeln und Reden, das sich gerne als 1:1 authentisch geben würde, aber doch nur als Zitat, Nachahmung und Vortäuschung durchgeht. Oder eben auch nicht.

Ein grosser Teil des Geplappers in Talkshows, Stammtischgesprächen oder Befragungen irgendwelcher Personen in der Fussgängerzone ist eben einfach nur inkompetent. Weil nachgeplappert, Wiedergabe gängiger Meinung oder Zitat von irgendetwas Gelesenem oder Gehörtem.

Nachgeplapperte Meinungen, ungenaue Wahrnehmung aus zu grosser Entfernung, Vortäuschung von Sachkenntnis, Beurteilungen nach Schema F, Leben aus zweiter Hand – wer könnte sich davon freisprechen!

Mögliche Alternativen wären, die Dinge erst mal sacken zu lassen, genau hinzuhören, hinzusehen und hinzulesen, über mögliche Antworten auch erst mal nachdenken, manchmal auch spontan und ohne Nachdenken formulieren. Vorgefertigte Phrasen vermeiden.

6 Gedanken zu “Leben zweiten Grades

  1. Ab und zu ficht einen etwas stark an vom Geplapper der Talkshows. Nachtcafe, da kommt es vor…Oder hier mal was und dort mal kurz. Gedanken dazu lass ich hinterm Vorhang springen…Machst du wohl ähnlich?
    Gruß von Sonja

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  2. Man wird aber auch gern mal komisch angesehen, wenn man sagt, dass man zu etwas keine Meinung habe, weil man zu wenig darüber wisse. Solcherart Ehrlichkeit wird dann schnell mit Dummheit verwechselt. Dazu muss man stehen können. 😉

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