Liebe & Sauce

Mein erstes Steak Béarnaise hatte ich als Student. Ich wollte alleine Richtung Atlantik fahren. Auf dem Weg nach Nordfrankreich hatte ich – als Single mit meinen 23 Jahren – Phantasien im Kopf. Denn Wuppertal hatte zwar eine Uni und eine Schwebebahn. Aber man kann sich ja durchaus aufregendere Dinge vorstellen.

Ich spielte also mit dem Gedanken, ein paar Tage in einer französischen Auberge zu verbringen. Zum Abendessen wäre dann die Tochter des Gasthausbesitzers eine Treppe herunter gekommen. Wir hätten uns sofort ineinander verliebt. Ich würde sie dann heiraten und später den Betrieb übernehmen. So würde ich Besitzer einer Auberge im Elsass.

Aber es kam alles ganz anders. Ich wäre da auch sicher irgendwann versauert, samt Frau. Und von Kochen hab ich ja sowieso keine Ahnung.

Etwa auf halber Strecke im realen Leben machte ich dann einen Abstecher in die Innenstadt von Brüssel. Dort ass ich mein erstes Steak mit dem, was sofort meine Lieblingssauce werden sollte. Beefsteak-frites avec Sauce Béarnaise.

Als sich bald darauf die Fortsetzung meines Lebens in Belgien abspielte, lernte ich viel über gutes Essen und Trinken. Zunächst als Verkäufer und später vor allem auch als Geniesser. Ich mochte roten Burgunder, weissen Sancerre oder Chablis, und auch Chimay bleu Klosterbier oder Strassburger Kronenbourg.

Ich lernte belgische Pralinen und Chicorée au gratin schätzen, Crème Brulée und Tarte Tatin; mochte Austern und Gänseleber, Käse aus der Normandie und überhaupt alles, was Gott in Frankreich so schätzt.

Wieder in Deutschland hatte ich das Gefühl, ich müsste den Leuten hier erstmal erklären, was eine Crème Brûlée ist. Inzwischen wissen sie es, jedenfalls ungefähr. Und dass Macarons vielleicht auf den ersten Blick etwas teuer sind, aber ihren Preis durchaus wert. Man soll sich ja nicht damit sattessen, sondern geniesst eine oder zwei zu einem Aperitif oder einem Pousse Café.

Bis ich ein gutes Restaurant hier in der Gegend fand, wo man auch ein Steak Béarnaise mit hausgemachten Pommes bekommt, dauerte es eine Weile. Vorgestern lud ich meine Liebste zu ihrem Geburtstag ins Neuenburger Steakhaus ein.

Und wer hätte es gedacht? Auf der Speisekarte entdeckten wir ausser meinem Lieblingsgericht auch eins für eher vegetarisch orientierte Geniesser. Es gab, als hätten sie es für uns gemacht, Rösti. Aber nicht irgendwelche.

Rösti mit Sauce Béarnaise.

Von der Mutter zur Adoptivmutter

Das Jahr 2001 war für mich ein Ende und mehrere Anfänge. Ende von 23 Jahren Ehe und Ende der Arbeit als selbständiger Übersetzer in Belgien.

Immer öfter fuhr ich an immer länger werdenden Wochenenden die 500 km zur alleinlebenden Mutter im Schwarzwald. Bis ganz richtig vermutet wurde, ich würde am liebsten dort bleiben.

„Ich glaube, Mutter braucht mich inzwischen mehr als Du“, höre ich mich noch heute am Telefon sagen.

2001 wurde dann das Ende des Trennungsjahrs. Und der Beginn eines Lebens in der ersten Etage des Mutterhauses. Bald folgten auch zwei Jahre Beziehung mit einer jüngeren wirbelwindigen Ossi-Frau. Nach ihrer Rückkehr in die Gegend von Potsdam war ich noch zwei Jahre mit einer im Schwarzwald ansässigen Montafonerin zusammen.

Eine der Pflegerinnen, die morgens und abends ins Haus kamen, sagte mir irgendwann: „Wenn Ihre Frau Mutter mal ins Heim muss, werden Sie ihr Haus verkaufen müssen.“

Meine drei Geschwister lebten und leben in Canada und in NRW, festverwurzelt mit Kindern und Ehepartnern. Eines Tages kamen sie Mutter und mich besuchen, um mit mir über das weitere Vorgehen zu sprechen. Abends im Restaurant sagten sie:

„Wir haben beschlossen, dass wir Mutter in ein Heim geben.“ Ich war ziemlich überrascht, antwortete aber spontan.

„Ihr könnt beschliessen, was ihr wollt, aber meine Zustimmung kriegt ihr nicht.“

Ich erklärte, dass ich Verständnis dafür habe, dass sie sich nicht um Mutter kümmern können. Aber ich war ja auch noch da. Jeden Tag.

„Willst Du denn bei ihr bleiben?“ fragten sie. Und so kam es dann. Mutter hatte mich zur Gesellschaft ständig in ihrer Nähe.

Bald lernte ich besagte Potsdamerin kennen, ohne dass wir jedoch fest zusammenzogen. Ich blieb bei Mutter und sie blieb „Berlinerin“, der der Schwarzwald zu eng war.

2004 starb Mutter und ich blieb allein in ihrem grossen Haus. Weil keiner von uns vier die anderen auszahlen konnte, verkauften wir es. Heute wäre es wohl das Doppelte wert.

Ich hatte schon 2003 begonnen zu bloggen und gab Kleinanzeigen mit dem Text „Französischlehrer kommt ins Haus“ auf.

So lernte ich, drei Jahre nach Mutters Tod, Irmgard kennenlernen. Sie war wesentlich älter als ich, geistig und körperlich noch schwer auf Draht. Sie war gebildet und wir kamen uns in jeder Hinsicht sehr nah.

Irgendwann sprachen wir wiederholt von der Möglichkeit einer Adoption. Unsere Beziehung würde damit einen offiziellen Charakter bekommen und als Adoptivsohn hätte ich später keine Erbschaftssteuer zu zahlen.

Sie dachte immer an alles. Sie war Witwe und kinderlos, besass zwei Eigentumswohnungen und es fehlte ihr auch sonst an nichts.

„Du brauchst eine jüngere Frau“, sagte sie manchmal zu mir. Nun ja, als ich dann meine jetzige Ehefrau kennenlernte, war sie zunächst doch bissle eifersüchtig.

Das legte sich jedoch bald und sie war bis an ihr Lebensende froh, so eine liebe Schwiegertochter zu haben.