Ich war noch Erstklässler in Holzminden,
als wir 1958 an den Rhein gezogen waren. „Vater versetzt, Kind sitzengeblieben“ war damals so ein Spruch in Bundeswehrkreisen. Ich war allerdings überhaupt nicht sitzengeblieben, gehörte vom ersten bis vierten Schuljahr zu den Klassenbesten. Lehrerin hiess Frau Pilgrim, deren Motto war: „Es ist schon immer so gewesen, am letzten Tag wird vorgelesen“. Seither kenne ich die Biene Maja. Schöne Zeit. Erste Kommunion, Messdiener.
Um aufs Humboldt-Gymnasium zu kommen, musste ich eine Prüfung bestehen. Mutter fragte mich kurz vorher,
ob ich Angst hätte. „Wenn ich die nicht bestehe, wer soll sie dann bestehen?“ Das klang vielleicht eingebildet, was ich da sagte, war aber einfach nur logisch.
Mein Deutschlehrer Karl-Heinz Schlechtriem,
inzwischen 86 Jahre alt, sagte meiner Mutter in einer Sprechstunde: „An Dieter werden die Deutschlehrer noch ihre Freude haben.“
Sexta, Quinta und Quarta, also 5. bis 7. Klasse waren interessant. Als erste und zweite Fremdsprachen hatten wir Latein und Englisch. Manche meiner Klassenkameraden kamen von weiter her, mit einer Monatskarte für die Strassenbahn. Hätte ich auch gerne gehabt, war wegen kurzem Weg von Volksgartenstrasse 17 über Ulrepforte und Kleingedankstrasse bis zur Schule zu kurz.
Ich ging den Schulweg immer mit German Faber, der mir am Tag der Kuba-Krise – oder war es das Attentat auf Kennedy, den ich kurz zuvor, 1963, noch auf der Deutzer Brücke live sehen konnte – oder Beides? sagte, was er in den Nachrichten gehört hatte. Wir hatten noch kein Fernsehen, nur mein Freund Willi, bei dem ich manchmal die Serie „Union Pacific“ oder „Sport, Spiel, Spannung“ sehen durfte.
Mein Freund Dieter Michels wohnte im Haus gegenüber
und kam manchmal zu mir, um Micky Maus zu lesen. Sein Vater war Arzt, hatte ihm solche Lektüre verboten und bastelte selber in seiner Freizeit an einer riesigen elektrischen Eisenbahnanlage von Märklin. Einmal, als zwei Eintrittskarten irgendwie zu verfallen drohten, schenkte er sie meiner Schwester und mir. Es war das einzige Mal, dass ich im Hänneschen Theater war. Es war toll. Besonders lachen musste ich immer über den Speimanes.
Ich gründete dann einen Detektivclub und machte an vielen Nachmittagen Allein-Ausflüge. Entweder mit meinem Roller, unter anderem bis zu dem Hafen, wo heute die drei Kranhäuser stehen, oder mit der Strassenbahn bis Endstation Bensberg. Ich tippte auch meine erste Zeitschrift, mit Kohlepapier, drei Exemplare, und mein Vater hatte mich zum Judo-Club in der Eifelstrasse angemeldet, wo ich es bis zum orangenen Gürtel brachte und irgendwann es mir zu blöd wurde. Obwohl man zum Geburtstag immer eine Tafel Cadbury Schokolade bekam.
Die Ferien verbrachten wir mal in Holland, in so einer Urlaubsbaracke, mal auf der Soinhütte am Wendelstein und mal in der Eifel, wo Vater einen kleinen Bauernhof in Gerolstein-Büscheich als Ferienhaus gekauft hatte und wo wir die Mondlandung im Fernsehen verfolgten. Einmal waren wir auch in Bad Zwischenahn in einem Ferienheim der Bundeswehr. Von dort flog ich dann vom Flughafen Hamburg nach England. Während des kurzen Flugs kaufte ich eine Schachtel Zigaretten. Als die Stewardess ein zweites Mal an meinem Sitz vorbeikam, sagte ich zu ihr, ich hätte es mir überlegt. „Ich glaube, ich nehme noch eine Schachtel.“ Sie meinte: „Zu spät, wir sind leider nicht mehr über der zollfreien Zone zwischen England und Deutschland.“ Ich fand das ziemlich blöd. Ich war 14 Jahre alt.
Wir zogen dann nach Wiesbaden um.
Siehe auch: Mutter und ich
Viele erste Male – In Wiesbaden (2)
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