Fuchtelnde Filmer/innen

Ausser für gelegentliche Einkäufe bei der Migros in Riehen kurz hinter der Grenze war ich seit längerer Zeit nicht mehr in der Schweiz gewesen.

11

Nun begab es sich aber, dass meine Frau nicht nur Geburtstag und Urlaub hatte, sondern auch, dass sie ihrer Mutter einen Wunsch erfüllen wollte. Letztere wollte nämlich gerne mal wieder in die Berge.

10

Wir dachten zuerst daran, ihr eine Fahrt mit uns im Glacier-Express zu spendieren. Ich war vor ein paar Jahren schon einmal damit gefahren und wusste ungefähr, wie das aussieht. Und da Schwiemu sowieso mehr an einer Tour mit Dampflok und Zahnradbahn interessiert war, buchten wir eine Fahrt mit der Rothornbahn sowie eine Übernachtung in einem Ayurveda Hotel in Brienz.

2

Auch diese Tour hatten Lilli und ich schon einmal gemacht. Ich kann mich allerdings nicht erinnern, dass damals alles so voll war, trotz Nachsaison. Auf der Strecke verkehren mindestens vier dieser Züge und alle sind immer so proppenvoll, dass man ohne vorherige Reservierung überhaupt keinen Platz bekommt.

7

Die Fahrt nach oben war ganz angenehm. Mir gegenüber sass eine Asiatin, die mir nicht nur erlaubte, sie beim Knipsen aus dem Fenster mit ins Bild zu nehmen, nein, hat gleich sogar richtig posiert. Wahrscheinlich eine Influencerin, so professionell wie sie ihren Film drehte und dabei auch sprach.

3

Um gleich zur Rückfahrt zu kommen, die war nämlich ganz anders. Eine schwarze Dame mit einem ziemlich ausladenden Hinterteil zwängte sich direkt neben mich. Ich konnte es nicht verhindern, praktisch während der ganzen Fahrt mit ihr Körperkontakt auf unterer Ebene zu haben.

1

Sie hat aber nicht etwa still gesessen sondern sich immer wieder hin und hergedreht, so dass sie manchmal anderthalb Sitze für sich in Anspruch nahm, ebenso wie die Erlaubnis, mit ihrer Handystange uns allen vor der Nase rum zu fuchteln.

5

Gleich zu Anfang bemerkte sie auf Englisch, dass sie schliesslich zum Filmen gekommen sei und eine Menge Geld dafür bezahlt habe. Ich hätte eigentlich sagen sollen: „We too, wir haben genauso viel für unsere Tickets bezahlt“, und im Gegensatz zu ihr hatten wir diesmal auch keinen Fensterplatz.

Die fuchtelnde Dame hatte einen solchen, verlangte dann aber über drei Köpfe hinweg, dass man auch das gegenüberliegende Fenster gefälligst für sie öffnen solle, denn sie würde ja, wie gesagt, fotografieren und filmen wollen, weswegen sie überhaupt da sei. Grummel grummel.

4

Die hat dann auch echt alles gefilmt. Alle Bäume, alle Wiesen, alle Kühe und auch, wenn der Zug durch einen Tunnel fuhr. Sie filmte dann unerschrocken weiter. Hatte ja schliesslich bezahlt. Durfte also auch im Dunkeln filmen.

6

Sonst waren alle Leute eigentlich ziemlich nett und man hörte viel Englisch sprechen. Man sah auch viele – um nicht zu sagen alle – mit Handy oder auch Handy an der Stange filmen.

Hauptsächlich im Hellen.

Grossalarm

Bei uns, also genauer gesagt in Schliengen, ein paar hundert Meter Luftlinie von hier, ist letzte Nacht die Winzergenossenschaft abgebrannt. Bis in die frühen Morgenstunden waren 200 Feuerwehrleute aus der ganzen Umgebung im Einsatz. Rauchschwaden und Geruchsbelästigungen erstreckten sich kilometerweit, an uns vorbei, über Müllheim im Markgräflerland bis Bad Krozingen.

Als ich um acht Uhr aufstand, war davon nichts mehr zu sehen oder zu riechen. Lilli, Frühaufsteherin, hatte schon alles über soziale Medien und Warn-App erfahren. Wir waren also nicht mehr betroffen und es gab auch keine Verletzten oder Toten. Und da wir beide keine Weintrinker sind, konnten wir beim Frühstück auch Witzchen machen. Oder nennen wir es mal linguistischen schwarzen Humor. Die Leute tun uns natürlich schon leid. Es hätte Vieles gegeben, was man lieber brennen gesehen hätte als eine Winzergenossenschaft.

Ich so: „Wie kann denn Wein brennen?“ Worauf sie, ganz trocken:

„Weinbrand.“

Kannitverstan

Als ich als 18jähriger mit meiner ersten richtigen Freundin mit meinem ersten alten Auto erstmals nach Frankreich fuhr, ging’s zuerst nach Paris und dann weiter Richtung Camargue. Meine Freundin liebte Pferde und ging auch daheim regelmässig zum Reiten. Sie wurde später Dozentin an einer Kunsthochschule.

Auf der ersten Etappe vom Rheinland nach Paris mit meinem neuen alten Ford Taunus, Baujahr circa 1955, streikten auf der Landstrasse bei einem starken Regen plötzlich die Scheibenwischer und es musste eine Werkstatt gefunden werden. Fragt mich nicht, wie ich das gemacht habe. Ich weiss es echt nicht mehr. Wir hatten weder vernünftiges Kartenmaterial noch konnten wir mehr als ein paar Brocken Französisch.

Etwas später dann, als wir glaubten, uns verfahren zu haben, hielten wir am Strassenrand und fragten bei heruntergekurbelter Scheibe einen Passanten, wie wir wohl nach Paris kämen. Man wies uns die richtige Richtung und sagte irgendwas, was für uns wie „soixante“ klang. Wir dachten also, noch 60 km geradeaus und dann sind wir da. Als wir dann jedoch wenige Kilometer später durch einen Ort fuhren, der „Soisson“ hiess, verstanden wir, was der oder die Fußgänger/in uns hatte sagen wollen. Wir freuten uns, dass es dann doch nicht mehr ganz so weit bis nach Paris war.

Dortselbst machten wir nur einen kurzen Halt, weil ich unbedingt mal die Champs- Élysées hoch und wieder runterfahren wollte. Damals konnte man sogar mitten auf der sechsspurigen Strasse wenden. Fragt mich nicht wie ich das gemacht habe, die Franzosen machen sowas noch heute.

Dann ging es weiter in Richtung Süden, nachdem wir kurz hinter Paris ein Tramperpaar aufgenommen hatten. Die wollten nach Afghanistan und stiegen erst in Marseille wieder aus. Keine Ahnung, was die in Afghanistan wollten. Wahrscheinlich irgendwas mit Drogen. Ob sie angekommen und wieder zurückgekommen sind, fragt mich nicht. Aber die waren ganz cool und zwischendurch hatte ich den männlichen Tramper auch mal ans Steuer gelassen.

An der Côte d’Azur hatten wir uns an einem von diesen Tagen am Meer mal in ein Strassencafé in Cannes oder Nizza gesetzt, um einen Drink zu nehmen. An diese Situation musste ich jetzt gerade denken, weil in einer Folge von „First Dates“ jemand an der Bar ein Glas mit einem grünen Getränk haben wollte. Er hätte das schon mal im Fernsehen gesehen und wüsste aber nicht, was das genau sei. Ich musste an die Situation in Frankreich denken.

Am Nachbartisch hatte jemand ein Glas mit einem dunkelgrünen Getränk vor sich stehen. Das interessierte mich ich stammelte irgendwas zum Garçon, wobei ich wohl die Worte „drink“ und „vert“ einflocht. Er verstand kein Wort. Ich wiederholte die beiden Wörter mehrmals. Ich wusste nur, dass „vert“ grün heisst und wollte also ein grünes Getränk. Der Mann verstand aber „verre“ (Glas) , was genauso ausgesprochen wird wie „vert“ (grün). Er meinte dann sowas wie dass alle Getränke in einem Glas serviert würden. Er hatte nichts verstanden. Ich musste dann ganz deutlich auf den Nachbartisch zeigen, wo das Glas mit grüner Minze stand.