Worte und Sätze

Laut schlug er die Tür hinter sich zu. Es machte einen richtigen Knall. Alle, die das hörten, hörten es. Und zwar richtig, mit beiden Ohren gleichzeitig.

Es war ein symbolischer Akt, ein Befreiungsschlag. Was sollte der ganze Quatsch mit der Literatur? Grade hatte er sich einen Heftroman bestellt und freute sich schon richtig auf die Lektüre. Das würde doch mal wieder richtig Spass machen, oder? Er wusste es noch nicht.

Er wollte ja immer schreiben, ja, Bedeutungsvolles schreiben, das alle in Angst und Schrecken versetzen oder totale Begeisterung auslösen sollte. Denen wollte er es zeigen. Einfach zeigen.

Denen, die alle am Strassenrand standen und laut in Sprechchören riefen, nein, sie kreischten es eher, es war ja kein Lied und die Leute hatten es auch nicht geübt. Sie hatten ja keinen Dirigenten, der den Taktstock schwung, nein, schwang, oder schwingte? Wie hiess es denn nun richtig? Scheissegal, die Leute intonierten es jedenfalls: „Schreib, Mann! Schreib, Mann!“

Es war wie ein Volksfest, Weihnachten und Ostern zugleich, auf einer Kirmes oder im Karneval, in einer Silvesternacht, auf einer Demo, beim Marathonlauf oder Synchronschwimmen. Ihm fehlten die Worte, mit sowas hatte er nicht gerechnet.

Er wollte doch nur ein harmloser Schriftsteller sein, zuständig für das Verfassen von Romanheftchen, Liebesbriefen oder Reklametexten.

Er würde einfach weiterschreiben, das war klar. Aber sowas von klar.

Nebenbei gesagt

Mein alter Freund, der Heimatdichter Horst Lapp, erzählte mir mal, dass er einen stillen Ort, eine kleine Kapelle irgendwo im Elsass hat, wohin er sich gerne von Zeit zu Zeit zurückzieht. Meine Kapelle ist eher eine Patisserie mit Draussenlokal, wo zwar nicht wirklich immer völlige Ruhe ist, aber das passt schon. Ich bin ja auch kein Heimatdichter.

Café Birké

Café Birké in Neuf-Brisach

Überhaupt habe ich es seit einiger Zeit mit der Dichtung und Literatur gar nicht mehr so wie früher. So literarische Bücher waren mir eine ganze Zeit lang ziemlich wichtig, obwohl ich letztlich auch gerne Krimis gelesen habe. Einer meiner Lieblingsautoren, Georges Simenon, hatte von sich immer gesagt, dass er sich darum bemüht, eben nicht „literarisch“ zu schreiben, sondern in einer ganz normalen und einfachen Sprache. Das hat mir immer sehr gut gefallen.

Neuf-Brisach,_Haut-Rhin,_France

Neuf-Brisach im Elsass (F), Café Birké am grossen Platz in der Mitte

Es hat irgendwie ziemlich lange gebraucht und erfolgte sozusagen auf Umwegen, dass ich mich mehr und mehr von allem abwende, was normalerweise als Dichtung und Literatur gilt. Mir waren auch immer so Balladen, in denen richtig was passierte, wichtiger als hochgestochene, unverständliche und kryptische Gedichte, ob gereimt oder ungereimt Also den Zauberlehrling, John Maynard, den Erlkönig, die Bürgschaft oder den Birnbaum habe ich immer hauptsächlich wegen ihres Plots geliebt.

Horst Waidele

Mit Horst im Café Waidele in Wolfach

Trotzdem oder auch deswegen hatte ich immer mehr oder weniger das Ziel, möglichst wichtige literarische Werke zu schaffen. Tagebücher, seien sie auch von noch so wichtigen Persönlichkeiten geschrieben, waren mir zu privat und personenkultig. Deswegen hatte ich wohl auch das Gefühl, wenn ich über mich selber und private Dinge schreibe, dass das eigentlich niemanden interessieren könnte oder sollte.

NEULapp

Inzwischen finde ich es viel wichtiger, sich über gesamtgesellschaftliche und im wahrsten Sinne des Wortes weltbewegende Dinge zu informieren. Ohne sich gleich zu allem sofort eine Meinung zu bilden und überall zu kommentieren und seinen Senf dazu zu geben. Was die Politik betrifft, da haben wir ja die Parteien gewählt, denen wir zutrauen, kompetent zu handeln.

Kompetent sind wir, was die Sprache betrifft, letztlich doch wieder nur oder hauptsächlich für private Kontakte. Wenn man nicht gerade Vorsitzender eines Vereins oder Leiter der Freiwilligen Feuerwehr ist. Jeder hat nur einen sehr begrenzten Bereich, in dem er oder sie etwas bewirken kann. Und den muss jeder für sich erkennen und abstecken.

Das Gedicht „Sprache“ von Hermann Hesse gefällt mir hier vor allem, weil meine liebe Lilli es nicht abliest, sondern auswendig kann.

Die Influencer des Literaturbetriebs

Ich erinnere mich noch sehr gut an den Aufmacher des SPIEGEL 34/1995, als der Roman „Ein weites Feld“ von Günter Grass erschienen war. Das Werk hatte dem Literaturpapst Marcel Reich-Ranicki überhaupt nicht gefallen. Na und? DER SPIEGEL war sich jedenfalls nicht zu blöd, einen Verriss zum Thema einer Titelgeschichte zu machen.

Sowas wäre heute überhaupt nicht mehr denkbar. Nicht nur, weil die beiden Kontrahenten inzwischen verstorben sind, sondern weil sich überhaupt die ganze Literatur-, Verlags- und Presse-Szene total verändert hat. Dass die Meinung eines einzelnen Influencers zu einem einzelnen Buch eines einzelnen Schriftstellers quasi zu einem großen Thema einer gross angelegten Debatte wurde, wäre heute in dem Mass nicht mehr denkbar.

Ich kann mich überhaupt nur an ein Werk von Martin Walser erinnern, das den Grosskritiker Reich-Ranicki noch einmal heftig thematisiert und praktisch politisiert hat.

Inzwischen ist auch der WDR dazu übergegangen, Buchrezensionen nicht mehr als Meinungshoheit einzelner Kritiker über irgendwelche Romane zu zelebrieren. Es gibt ja inzwischen viele und andere Möglichkeiten, Literatur ins Gespräch und unter die Leute zu bringen.

Schriftsteller sind nicht mehr auf Verlage angewiesen und können ihre Werke unter Umgehung jeglichen Lektorats bei Amazon publizieren. Podcasts und jede Menge Gesprächsfor(m)en, Interviews und Talkshows geben verschiedensten Menschen aus allen kulturellen und sozialen Bereichen die Möglichkeit, ihre Meinung zu Büchern zu diskutieren.

So führt die vom WDR geplante Reduzierung von Rezensionen einsamer Grosskritiker – mögen sie heute und anderswo auch Denis Scheck heissen – zu einem demokratischeren Umgang mit Literatur.

Metablog

Wenn ich jetzt sagen oder schreiben würde Heute mal was Allgemeines übers Bloggen, dann hätte das sofort einen Anstrich einer wie auch immer gearteten Kontinuität. Als wäre der Text von heute eine Fortsetzung von gestern. Oder als ginge es um eine Reihe von Texten, die sinnhaftig in irgendeinem inhaltlichen oder zeitlichen Zusammenhang stehen.

Da man letztlich nur über sich selbst und seine eigenen Fantasien, Erfahrungen und Kenntnisse schreiben kann, sind Blogs eine ideale Mischform verschiedener Arten von Literatur, Monolog und Dialog. Sie können auch akustische Elemente, zum Beispiel durch Verwendung von Videoclips oder Podcasts, enthalten. Aufgrund der Möglichkeiten von Kommentarfunktionen sind auch Online-Tagebücher nicht monologisch.

Als junger begeisterter Leser kam es mir nie in den Sinn, Tagebücher oder Biografien zu lesen. Warum sollte ich mich dafür interessieren, was bestimmte Menschen aus ihrem Leben machten? Ich war auf der Suche nach allem Möglichen, aber nie nach Vorbildern, denen ich nachstreben könnte. Ich wollte weder eine Anne Frank noch ein Napoleon werden, das war schon immer klar.

Anne Frank

Heute erstreckt sich meine Ablehnung von Personenkult auch auf Talkshows und längere „Interviews zur Person“, in denen einer die Fragen stellt und der andere der „Held“ ist. Mich interessieren mehr die Ideen und Geschichten wie sie in philosophischen und belletristischen Werken vertreten und erzählt werden, keine lange Schilderung einer kurzen Karriere.

kurz2

Beim Bloggen hat man jede stilistische Freiheit. Man kann sich so richtig austoben. Ich hoffe, Du bist jetzt nicht gerade dabei, diesen Text einfach so zu überfliegen. Und als Leser hat man eine ständig aktualisierte und riesige Auswahl an spannender und informativer Lektüre, mit Einträgen und Beiträgen aus allen Genres und zu allen Themen.

Bloggen und WhatsAppen – that’s it.