„Mit Jura kann man Alles machen“, sagte meine Mutter damals, als ich überlegte, was ich studieren sollte. Das kam für mich allerdings einfach nicht in Frage, weil zu langweilig.
Ich sollte in dieser Ansicht auch bestätigt werden. Durch Peter Handke. Der hatte sein Jurastudium aufgegeben, um Schriftsteller zu werden. Das erschien mir doch ein sehr gutes Programm.
Was den langweiligen Aspekt des Jura-Studiums betrifft, scheint mir allerdings nur das Studium selber langweilig zu sein. Richter oder Rechtsanwalt zu werden, das hätte mir dann doch gepasst.
Stattdessen sehe ich – wenn auch meist nur zum Einschlafen – mit unterkühltem Gleichmut gerne diese Gerichtssendungen im Fernsehen. Mit Ulrich Wetzel oder Barbara Salesch, gewieften Rechtsanwälten oder dem bissigen Oberstaatsanwalt Römer.
Diese Sendungen sind eigentlich fast so spannend wie richtige Krimis. Deswegen habe ich neulich an unser Amtsgericht geschrieben, ob ich wohl mal als Zuschauer an einer öffentlichen Gerichtsverhandlung teilnehmen könne. Oder vielleicht sogar als Schöffe.
Leider haben die mir überhaupt nicht geantwortet. Was muss man tun, um einmal in so einen Gerichtssaal zu kommen? Mal richtig straffällig werden? Als Ersttäter bekomme ich höchstens zwei Jahre. Auf Bewährung.
Vielleicht hätte man doch erst Jura studieren und dann Rechtsanwalt werden sollen. Und dann Schriftsteller. Zum Nobelpreis würde man es damit allerdings auch nicht bringen.
Was Ferdinand von Schirachs Qualität als Schriftsteller betrifft, habe ich so meine Vorbehalte. Die Plots seiner ZDF-Geschichten, die unter anderen mit Schauspielersöhnen wie Moritz (Mutter Monica, Vater Hans Brenner) Bleibtreu, David (Eltern Anne und Heinz) Bennent und Oliver (Mutter Iris) Berben produziert wurden, basieren meist auf irgendeinem besonderen Paragraphen, der als juristische und Erstaunen auslösen sollende Feinheit zu einer Geschichte ausgewalzt wird.
Eine dieser Geschichten hat als Basis den Grundsatz, dass ein Autofahrer, der jemanden fahrlässig totfährt, damit aber, wie sich später herausstellt, zehn Menschenleben gerettet hat, trotzdem zu einer Gefängnisstrafe zu verurteilen ist. Aha, wer hätte das gedacht.
Viele der eher langweiligen Filme des schreibenden Rechtsanwalts basieren auf so einem Paragraphen, der letztlich jeweils den ganzen Plot ausmacht. Also zum Beispiel auch der, dass Niemand für eine Tat zweimal bestraft werden kann.
Für die Literatur sollte ein dementsprechender Grundsatz gelten, dass kein Schriftsteller mehrmals aus je einem Paragraphen einen ganzen Film für eine ZDF-Episode basteln darf.
Das ist unserem Rechtsanwalt von Schirach freilich wurscht. Mutter hatte schon Recht, als sie sagte: „Mit Jura kann man alles machen.“