Mein Freund Hans – Ein Phänomen

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Das Buch, das es nirgendwo zu kaufen gibt, enthält ein Gespräch zwischen zwei Männern, die ich persönlich kennengelernt habe. Und das kam so.

Mitte der 1970er Jahre fiel mir auf der Frankfurter Buchmesse ein junger Autor auf, der Handzettel mit seiner Art von Literatur verteilte. Mir ist nur noch ein Satz davon in Erinnerung, der ungefähr so lautete: „Ich schreibe mit einem BIC und das heisst ja schon fast ICH“. Wir unterhielten uns noch ein bisschen und verabredeten, in Verbindung zu bleiben.

Hans-Imhoff+Kleine-Postfibel

Einige Zeit später besuchte ich ihn dann in Frankfurt. Wir unterhielten uns wieder ein wenig und bald darauf meinte er, er sei mehr für so ganz persönliche Texte, während ich wohl eher politisch interessiert sei. Er meinte, ich solle doch gleich zu Hans Imhoff gehen, der wäre wohl mehr mein Ding. Ich war ziemlich erstaunt, zu erfahren, dass die beiden gute Freunde waren und nur paar Häuser weit voneinander getrennt wohnten. Und von Imhoff hatte ich schon einiges gehört und gelesen.

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Hans empfing mich dann in seiner Altbauwohnung, wo wir uns beide im Schneidersitz einander gegenüber sassen und unterhielten. Es war der Beginn einer seltsamen Freundschaft. Ich bewunderte sein Engagement und überhaupt seine ganze Art. Zu denken, dass dieser Mann schon Vorlesungen von Adorno, Mitscherlich und Habermas gekapert hatte, wovon die Presse ebenso berichtete wie von seiner Aktion im „Theater am Turm“. Dort hatte er die Premiere von Peter Handkes „Kaspar“ unterbrochen, indem er auf die Bühne stieg, das Stück praktisch anhielt oder einfror und sich an das Publikum wandte. Er soll wohl gesagt haben, dass er eine Pressekonferenz geben oder vielleicht auch einfach zum Publikum reden wolle.

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Wir blieben noch eine ganze Zeit in brieflichem Kontakt. Ich schlug ihm vor, über ihn zu schreiben. Er hatte wohl verstanden, dass ich ein ganzes Buch über ihn schreiben wolle und antwortete dann, nachdem ich ihm die ersten zwei Seiten geschickt hatte und nicht wusste, was ich noch schreiben könnte, dass das ja schon prima sei, was ich geschrieben hätte und ob ich das wohl 200 Seiten lang durchhalten könne.

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Konnte ich nicht. Ich hatte mich inzwischen auch an die Zeitschrift „Konkret“ gewandt und denen einiges Material geschickt. Die waren aber nicht interessiert. Hans Imhoff schrieb weiter und weiter und brachte es bis heute auf ungefähr 70 Bücher, die er alle in seinem eigenen Euphorion Verlag veröffentlichte und die in keiner Buchhandlung zu bestellen gewesen wären.

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Er tut nichts, um den Verkauf seiner Werke zu fördern. Im Internet ist fast nichts über ihn zu finden. Finanziert hat er sich und seinen „weltgrössten“ Selbstverlag durch seine Arbeit bei der Post, wie sich das für einen richtigen Arbeiter gehört.

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Zwei seiner Parolen in seiner aktivsten Zeit lauteten: „Hans Imhoff produziert sich“ und „Die einzige Gegenkultur sind bewaffnete Arbeiter.“

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Nachdem seine Eltern gestorben waren, zog er in deren „Herrenhaus“ etwas ausserhalb von Frankfurt und widmet sich heute als 84-jähriger nur noch seinem Garten und seiner Familie.

Unser gemeinsamer Freund Rolf Brück ist leider sehr früh verstorben.

https://de.wikipedia.org/wiki/Hans_Imhoff_(Schriftsteller)

Liste von im Online-Antiquariat erhältlichen Büchern von Hans Imhoff

Brief an Julia

Jukia & Cher

Höhepunkt der gestrigen letzten „Wetten dass“-Show war für mich der Auftritt von Julia Reichert. Sie ist Autorin mehrerer Bücher, darunter „Hirn to go“. Deshalb schrieb ich ihr eine Mail.

Julia Reichert

Guten Tag Julia Reichert,

Ihr charmanter Auftritt in der letzten „Wetten dass“-Show hat mich ziemlich begeistert und neugierig gemacht. Deswegen habe ich Sie sogleich gegoogelt und bin dabei auf Sie als Autorin gestossen.

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Gerne möchte ich von Ihrem Angebot Gebrauch machen, mir ein signiertes Exemplar von „Hirn to go“ zuzusenden, gerne auch mit „Gruss an die Leser und Leserinnen von „Schreibmans Kultbuch““. Die E-Book-Version habe ich bereits heruntergeladen und das Rezensionsexemplar möchte ich ganz normal bezahlen. Und schnellstmöglich lesen.

Mit freundlichen Grüssen

Nachtrag

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Vielen Dank, liebe Julia! Ich habe Dein Buch gelesen. Meine Meinung dazu ist zwiespältig. Meinen Leserinnen und Lesern, die unterschiedliche Beurteilungen dazu lesen wollen, empfehle ich daher zum Beispiel die Lektüre von positiven und negativen Leseerfahrungen.

Schöne Beziehungen – In Süddeutschland (7)

Die Wende 2000 – Von (B) nach (D) (6)

Mutter lebte seit 25 Jahren allein, als Witwe, wieder in ihrem Elternhaus im Schwarzwald. Das obere Geschoss war seit einigen Jahren ungenutzt, da sie altersbedingt nicht mehr die Treppe hoch kam. Zweimal pro Woche kam eine Zugehfrau und täglich morgens und abends jemand vom Pflegedienst.

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Ich hatte mich dann oben eingerichtet und leistete ihr oft Gesellschaft. Ich kümmerte mich um bestimmte Dinge, soweit mir dies möglich war, und begann dann auch, mich um einen Arbeitsplatz zu bemühen.

Bald hatte ich eine Beziehung mit einer Berlinerin, die im Nachbarhaus wohnte und in einem Nachbarort arbeitete. Sie hatte mich gefragt, ob ich sie manchmal nachts von der Schicht abholen könnte, wenn kein Zug oder Bus mehr fuhr. Das habe ich gerne und oft gemacht und unsere Beziehung dauerte etwa zwei Jahre. Dann wollte sie wieder nach Ost-Berlin zurück.

Kurz darauf lernte ich Anneliese kennen, die etwas älter war als ich und ein Sonnenstudio besass. Mit ihr war ich dann ebenfalls etwa zwei Jahre zusammen, arbeitete teilweise in ihrem Sonnenstudio.

Ausserdem hatte ich über regelmässige Annoncen immer mehr Erwachsene gefunden, zu denen ich zwecks Französischunterricht ins Haus kam.

Eine von ihnen war Irmgard, die etwa gleich alt wie meine Mutter war. Sie war kinderlos, verwitwet, gebildet und wohlhabend und hatte sich auf eins meiner Inserate gemeldet, um ihr Französisch durch Konversation aufzufrischen.

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Meine Mutter und Anneliese waren inzwischen verstorben und die Beziehung zwischen Irmgard und mir hatte sich sehr günstig entwickelt.

Ich war in meinem Wohnort im Schwarzwald wieder allein und sie, die 100 km entfernt von mir wohnte, besorgte mir eine kleine Wohnung bei ihr um die Ecke. Ich zog um und besuchte sie dann täglich. Liess mich gelegentlich von ihr bekochen und wir unternahmen auch Ausflüge in die Umgebung, die meine neue Heimat werden sollte.

Irgendwann sagte sie dann: „Wenn du mir versprichst, mich bis zum Ende zu begleiten, dann adoptiere ich dich und du sparst die Erbschaftssteuer.“ Das war der Deal, so war sie und so mochte ich sie. Sie war stolz, auf ihre alten Tage doch noch einen Sohn zu haben, und ich genoss es, als Einzelkind verwöhnt zu werden.

Sie bekam dann auch noch eine Schwiegertochter, meine Lilli. Die Beiden sind sehr gut miteinander ausgekommen, Irmgard hat sie geliebt.

Und so hatte sie in den letzten 7 Jahren ihres Lebens noch eine schöne Zeit und eine richtige Familie.

Die Wende 2000 – Von (B) nach (D) (6)

Laden läuft – In Belgien (5)

Die 1990er Jahre waren ein ständiges Auf und Ab. Einerseits waren mir doch noch einige Kunden treu geblieben. Ich bekam weiterhin Aufträge, wenn auch mit allgemein fallender Tendenz, was die Gesamtsituation betraf. Andererseits war ich bereits auf der Suche nach einem zweiten und/oder dritten Standbein.

Aus New York meldete sich über Ebay jemand, der einen deutschen Übersetzer und Verkäufer für Feuerzeuge suchte. Ich vertrieb dann eine zeitlang teure Zippos und billige Gagfeuerzeuge aus China über eBay Deutschland. Das hat sich dann aus mehreren Gründen totgelaufen.

Dann wollte ich – warum auch immer – eine Firma in Luxemburg gründen, war auch schon hin- und her gefahren und hatte Kontakt mit Jemandem, der sich da auskannte und das Organisatorische regeln wollte. Aber ich weiss auch heute noch nicht, was daraus hätte werden sollen. Es wurde jedenfalls auch nichts.

Mein letzter Neuwagen war ein Mitsubishi Pajero für umgerechnet ca 50.000 DM. Der wurde mir nachts von meiner Garagenauffahrt weg geklaut. Die Versicherung wollte mir dann noch umgerechnet 15.000 DM erstatten. Ich erklärte mich wohl oder übel damit einverstanden. Dann kam aber nochmal ein Anruf, ob ich eigentlich eine Alarmanlage gehabt hätte. Das musste ich leider verneinen und so bekam ich überhaupt nichts. Das war natürlich ein harter Schlag ins Kontor.

Eine Werbeagentur bei Stuttgart bot mir an, ein Profit Center zu gründen und dann Firmen in Brüssel und ganz Belgien, die mit IBM arbeiteten, auf die Durchführung von Öffentlichkeitsarbeit anzusprechen. Auch daraus wurde nichts, nachdem ich schon eine Menge Vorarbeit investiert hatte.

Ich veröffentlichte 1999 mein erstes Buch. Den Titel „Der Knallkopf“ hatte mein Freund und Heimatdichter Horst Lapp vorgeschlagen. Die ersten Exemplare verkaufte ich an die Mitglieder des Brüsseler „Lions Club“, der mich auf Empfehlung eines anderen Mitglieds und nach einstimmiger Abstimmung aufgenommen hatte.

Um die Jahrtausendwende – die Kinder waren schon nach und nach aus dem Haus und studierten – fuhr ich dann immer öfter wochenendweise zu meiner Mutter in den Schwarzwald. Manchmal waren es auch mehrere Tage. Als meine Frau mich dann mal am Telefon fragte, ob ich überhaupt gedenke, mal wieder nach Hause zu kommen sagte ich: „Ehrlich gesagt, Mutter braucht mich im Moment mehr als Du.“

Konkurs, Scheidung, seit 2000 wieder in Deutschland.

Schöne Beziehungen – In Süddeutschland (7)

Laden läuft – In Belgien (5)

Ende der 1970er Jahre – In Bruxelles (4)

In dem Haus, in das wir nach der Geburt der Zwillinge 1980 zogen, waren wir die Erstmieter. Alles war noch neu, der ganze „Garten“ drumrum war praktisch nur Wiese.

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Ich hatte freie Bahn, einen Bio-Gemüsegarten anzulegen. Ein Kirschbaum und ein Haselnussstrauch waren schon da, für Him- und Erdbeeren sorgte ich auch. Trank auch gerne ein Klosterbier oder produzierte mal einen eigenen Kirschwein.

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Mein Büro hatte das Fenster zur Strasse, die eine Sackgasse war. Hier sollte ich fast 20 Jahre lang französische und niederländische Texte ins Deutsche übersetzen. Ab und an auch Dolmetscher-Aufträge annehmen und Kunden auf Geschäftsreise nach Deutschland begleiten. Aufträge hatte ich von Anfang an immer genug, jedenfalls anfangs von den grossen Übersetzungsagenturen in Brüssel, und dann nach und nach auch immer mehr von eigenen Direktkunden aus Industrie und Wirtschaft.

Als die ersten Faxgeräte auf den Markt kamen, wollte ich zu den Ersten gehören, die über ein solches Gerät verfügten. Damit könnte man ja praktisch sein Büro an die Côte d’Azur verlegen und von dort aus die Kundschaft in Brüssel und anderswo bedienen. Der Wegfall von Post und Kurierdiensten würde die Lieferzeiten drastisch verkürzen. Ich meldete mein Interesse bei Siemens.

Ein Herr Van Keymolen kam denn auch kurzfristig an einem Nachmittag zu Kaffee und Kuchen aus Brüssel bis zu uns aufs Dorf gefahren. Er brachte ein ziemlich klobiges Gerät und einen Packen dazugehöriges Thermo-Spezialpapier mit und liess mich den Mietvertrag unterschreiben. Das war das erste von einer Reihe von jeweils neuen Fax- und Scannermodellen, die ich im Laufe der Jahre mietete.

Anfangs musste man noch jedes Blatt einzeln einschieben. Dann brauchte das Gerät drei Minuten pro Seite, um unter lautem Rattern einen Text zu senden oder zu empfangen. Einmal schickte mir eine Werbeagentur drei kurze einfache Slogans à la „Nur Butter schmeckt wie Butter“ und benutzte für jeden der drei Sätze ein eigenes Blatt.

Damit musste ich praktisch zweimal zehn Minuten neben dem Gerät stehen, bis drei Sätze zuerst empfangen und dann übersetzt wieder zurückgesendet waren. Reine Übersetzungsdauer höchstens fünf Minuten. Zum Umzug an die Côte d’Azur kam es dann auch nicht.

Nach dem Sturz auf einer Rollschuhbahn (!), bei dem ich mir das rechte Handgelenk gebrochen hatte, kam ich ziemlich schnell auf die Idee, mir eine Sekretärin in Aachen zu suchen. Dieser schickte ich dann Diktatkassetten mit einem Kurier und sie schickte mir die getippte Arbeit auf gleichem Weg zurück. Das kostete mich zwar einen Haufen Geld, dafür konnte ich meine Produktion von 10 selbst getippten Seiten auf 20 Seiten pro Tag erhöhen.

1991 war dann der Höhepunkt meiner Unternehmensgeschichte. Der Laden lief, wir machten jedes Jahr Urlaub an der französischen Atlantikküste oder am Gardasee und ich kaufte alle zwei oder drei Jahre einen Neuwagen.

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Zu meinem 40 Geburtstag gründete ich auf Anraten des Steuerberaters eine Aktiengesellschaft, was gewisse Vorteile brachte. Meine Eigenproduktion war aber praktisch nicht mehr zu steigern, ich hätte die Sache jetzt grösser aufziehen müssen und Subunternehmer beschäftigen. Das wäre aber wieder eine andere Geschichte geworden und ich war halt kein richtiger Geschäftsmann.

Stattdessen ging es nach dem Mauerfall und der zunehmenden Bedeutung des Internets erstmal langsam bergab. Billiganbieter aus Osteuropa drängten auf den Markt und boten zum Teil Tarife, die bei 25% meines Zeilenpreises lagen. Ich verdiente also dadurch nur noch ein Viertel im Vergleich zu vorher, was natürlich nicht lange gutgehen konnte. Grössere Aufträge wurden auch mehr und mehr international ausgeschrieben und gingen dann ins Ausland und im Rahmen der Konzentration an Übersetzungs-Grossunternehmen, die mehrsprachige Gesamtpakete einschliesslich Printwork anboten.

In den 90er Jahren kämpfte ich ums Überleben. Aber das ist eine andere Geschichte.

Die Wende 2000 – Von (B) nach (D) (6)

P-P-Premiere mit 2 P-P-Pausen

Die Krimikomödie in drei Akten – „Meine Leiche, Deine Leiche“ – war so ganz nach meinem Geschmack. Sie enthielt viele von mir geschätzte Zutaten, als da wären Mundart, Wortwitz, schwarzer Humor, mehrere Damen mit gleicher Interessenlage, ein trotteliger Dorfpolizist und ein P-P-Prokurist.

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Das Stück von Christine Steinwasser feierte vorgestern Abend in der Regie von Peter Steinbeck Premiere im Stadthaus von Neuenburg am Rhein.

Einlass war ab 19 Uhr. Kurz darauf war bereits das gesamte Publikum in Wartestellung, Sitzposition oder noch am Hin- und Herlaufen. Um 20 Uhr sollte es dann „Vorhang auf“ heissen.

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Wir hatten also fast eine Stunde Zeit, in der ich unter Anderem die Nachricht „Wir sind heute im Theater“ per WhatsApp absetzte. Kurz darauf kam die Antwort einer meiner Schwestern: „Haben die keine Garderobe oder keine Heizung?“

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Was mich besonders überrascht hat, war die Tatsache, dass auch nach Vorstellungsbeginn noch mehrfach gegessen und getrunken wurde. Manche brachten am Ende einer der beiden Pausen noch Sandwiches bis auf ihren Sitzplatz mit.

Was einen der Kommentatoren zum Eintrag von Wilhelm, der zur gleichen Zeit und an anderem Ort ebenfalls kulturell unterwegs war, zu der Bemerkung veranlasste: „Das finde ich schon sehr merkwürdig – Picknickstimmung im Theater.“ Naja, ganz so schlimm war es nun auch wieder nicht.

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Das Stück wird erst nächstes Jahr auch in Berlin aufgeführt werden. Dann aber wahrscheinlich in Berliner Dialekt, wa.

Ende der 1970er Jahre – In Bruxelles (4)

Anfang der 1970er Jahre – Es wird ernst – In Mönchengladbach (3)

Noch als Student im Wintersemester 1975 in Tübingen, unter anderem bei Walter Jens, verlobte ich mich mit Christiane im Haus meiner Eltern in Wuppertal und siedelte 1976 nach und nach nach Belgien, wo ich 1977 einen Job in der Berlitz School in Brüssel fand.

Es war ein ereignisreiches Jahr, nicht nur wegen unserer Hochzeit. Es war der „Deutsche Herbst“ und das Jahr des Schleyer-Attentats. Wir hörten auf der Buchmesse in Frankfurt über Lautsprecher die Radio-Live-Berichterstattung über das von der RAF entführte Flugzeug „Landshut“, das in Mogadischu auf dem Rollfeld stand und dessen Erstürmung jeden Moment erwartet wurde.

Belgiens grosser Chansonsänger Jacques Brel war gestorben und wurde auf einer Südsee-Insel beerdigt. Ich kondolierte seiner Tochter France, die bei Berlitz meine Arbeitskollegin war.

1978 wurde ich Vater und wechselte 1979 den Arbeitgeber. Im Rahmen der damals aufkommenden deutschen „Fresswelle“ nahm ich eine mir angebotene Stelle an und wurde Verkaufsdirektor Deutschland für Gänseleber, Meeresfrüchte und andere Edelprodukte, die mein neuer Chef und ehemaliger Berlitz-Schüler aus dem Pariser Grossmarkt Rungis für die deutsche Sternegastronomie importierte.

1980 machte ich mich selbständig und eröffnete ein Übersetzungsbüro. Meine Zwillingsmädels wurden geboren und wir zogen als fünfköpfige Familie aus unserem Städtchen bei Waterloo in ein Einfamilienhaus mit Garten, in einem Dorf in der Wallonie, etwa 20 km ausserhalb von Brüssel.

Laden läuft – In Belgien (5)

Fotoeintrag

Ende November bekommen meine fünf Enkelkinder in Belgien immer einen Adventskalender von mir. Manchmal habe ich ihn persönlich gebracht und manchmal schicke ich ihn per Post. Der erste ist heute angekommen und ich nehme an, dass Bruno sich darüber gefreut hat.

Advent 1

Ich bekam heute von meinen beiden Schwestern einen Ausdruck von der Madonna meiner Mutter, den ich mir gewünscht hatte. Die eine Schwester, bei der diese Statue im Wohnzimmer steht, hat sie fotografiert, und die andere hat mir den Ausdruck geschickt. Diese Original-Hummelfigur kenne ich seit meiner Kindheit. Habe mich sehr gefreut und sie gleich an die Wand gepinnt.

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Vorigen Montag waren wir in Bad Bellingen im Kurpark-Restaurant zum Martinsgans essen. Das ist auch so eine der Traditionen, an denen ich einigermassen hänge.

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Bei Durchsicht einiger Fotos fiel mir noch ein sehr schönes in die Hände beziehungsweise auf den Bildschirm, das mir mein Sohn vor ein paar Wochen aus Kanada geschickt hat. Er war dort mit Frau und Kindern vier Wochen lang, davon eine Woche mit meinem Bruder zusammen, der sein Patenonkel ist.

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Es wird ernst – In Mönchengladbach (3)

Viele erste Male – In Wiesbaden (2)

Meine leidenschaftliche Tätigkeit als Herausgeber einer kleinen Zeitschrift setzte ich im Gymnasium in Rheydt-Odenkirchen durch Übernahme der Herausgeberschaft des „Pennälerblatt“ fort. Genügend Zeit bis zum Abitur hatte ich ja noch, da mich mein Mathelehrer die Unterprima mit einer 6 in seinem Fach wiederholen liess.

Zeit hatte ich auch für meine erste grosse Liebe. Ich hatte sie in Rom kennengelernt, wo sie mit ihrer Mädchenklasse zufällig in der gleichen Nonnenunterkunft im Vatikan wohnten wie wir Jungs, die wir ebenfalls auf Klassenfahrt dort logierten.

Beide wieder daheim in Mönchengladbach, hatten wir unser „Erstes Mal“ und fuhren alsbald auch mit meinem ersten Auto nach Frankreich. Zuerst nach Paris und dann weiter in die Camargue. Sie liebte Pferde. Sie war allerdings doch bissle cool in jeder Hinsicht und verliess mich dann, um in Düsseldorf Kunst zu studieren, während ich zuerst zwei Monate als Panzergrenadier in Lüneburg verbrachte.

Dann wurde ich als Wehrdienstverweigerer anerkannt und blieb in Mönchengladbach als Zivildienstleistender, während meine Eltern schon nach Wolfach im Schwarzwald, Heimatstadt meiner Mutter, gezogen waren.

In der Zeit von 1967 bis 1971 hatte ich Auslandsaufenthalte als Sprachschüler in Familien in England und Frankreich.

Politisiert war ich schon seit 1967, nahm an Vietnam-Demonstrationen teil, wo ich in Bonn auch ein kurzes Gespräch mit Rudi Dutschke in einer Kneipe hatte. Günter Grass war als Wahlkämpfer für die SPD unterwegs und ich gewann in einem Aufsatzwettbewerb einen Buchpreis, den er mir in einer Veranstaltung mit Handschlag überreichte. Wolf Wondratschek erlebte ich auf einer Lesung und mit Siegfried Lenz hatte ich nach Erscheinen der „Deutschstunde“ ein halbstündiges Tonband-Interview fürs Pennälerblatt.

Mit meinem Matrizengerät druckte ich Flugblätter. 1968, beim Einmarsch der Russen in Prag, war gerade Alain Duchet-Suchaux bei uns zum Deutschlernen. Mit ihm machte ich unter anderem eine Radtour nach Roermond und anschliessend verbrachten wir zwei Wochen in seiner Familie in Paris.

In meiner Mönchengladbacher Zeit hatte ich in den Ferien mal in einer Molkerei gearbeitet, mal in im Gladbacher Kabelwerk, in der Druckerei Bagel, bei Happich Sonnenblenden, in einem Gärtnereibetrieb und last not least als Kabelträger beim WDR in Köln. So verdiente ich mein eigenes Geld, mit dem ich mir den Führerschein, mein erstes Auto für 300 D-Mark und Aufenthalte in zwei verschiedenen Yogaschulen im Schwarzwald und auf der Schwäbischen Alb finanzieren konnte.

Das Thema Yoga beendete ich dann. In London in der grössten Buchhandlung der Welt hatte ich beim Bezahlen an der Theke gesehen, dass dort zwei Stapel Bücher lagen, die wohl am meisten gefragt waren und für mich nachträglich zwei mögliche Richtungen darstellten.

Das Eine war das „Kleine rote Buch“, die Maobibel, und das andere ein Buch über Yoga, nachdem die Beatles bei einem Maharishi in Indien gewesen waren.

Wieder daheim entschied ich mich dann gegen Yoga, weil es mir zu ichbezogen und sozusagen unsozial und unpolitisch war. Dafür entschied ich mich für den Kommunismus oder abwechselnd auch für Sozialismus, Maoismus, Anarchie – you name it. Hauptsache links.

Nach drei Semestern Germanistik und Sprachwissenschaft in Köln, Wuppertal und Tübingen war ich 25 Jahre alt und verspürte das Bedürfnis zu heiraten. Ich sagte das mehr oder weniger scherzhaft meiner Mutter und zählte ihr auf, welches von drei Mädels ich in Erwägung zog.

Die schöne Winzertochter aus Traben-Trarbach, wo ich einmal bei der Weinlese mitgemacht hatte und die aber noch zu jung für mich war. Oder die eine der beiden Töchter, bei deren Familie ich in London gewohnt hatte, die zwar intelligent aber nicht besonders sexy war, oder die Tochter von belgischen Bekannten meiner Eltern, die sowohl hübsch als auch intelligent war, allerdings fünf Jahre älter als ich.

Meine Mutter hörte sich das an und als ich bei der Belgierin angekommen war, meinte sie: „Die ist doch fünf Jahre älter als Du und so hübsch wie die ist, die findet bestimmt was Besseres als einen armen Studenten.“

Na ja, dachte ich bei mir. Wir werden ja sehen.

Ende der 1970er Jahre – In Bruxelles (4)

Viele erste Male – In Wiesbaden (2)

Anfänge – Es begann in Köln (1)

In Wiesbaden buchten meine Eltern mir einen Platz im altsprachlichen Dilthey-Gymnasium. So stand ausser Latein nun auch Altgriechisch auf dem Lehrplan. Zum noch weiteren Anheben meines Bildungsniveaus bekam ich irgendwann auch ein Abo für das Wiesbadener Staatstheater. Das umfasste etwas von Allem: Komödie und Tragödie, Ballett und Oper. Naja, musste man halt alles mal gesehen haben.

Ballett war erstes Mal. Und zugleich auch letztes Mal. Von Brecht gab’s glaub ich die Johanna der Schlachthöfe.

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Apropos erstes Mal. Ich bekam Weihnachten 1964, mit 13 Jahren, mein erstes Fahrrad. Hörte die ersten Beatles-Songs im Radio. Kaufte mein erstes Tonbandgerät Grundig TK 14 zum Aufnehmen von LPs, die ich mir von Klassenkameraden lieh. Rauchte erste Zigaretten. Hatte erste „beste Freunde“, Martin zwei Stockwerke tiefer und Jürgen aus meiner Klasse. Bei Dyckerhoff, Sohn der Zement-Dynastie, waren wir manchmal sonntags nach Biebrich eingeladen, wo wir im Keller mit Luftgewehren schiessen durften. Meine ersten Schüsse. 1965 las ich zum ersten Mal DER SPIEGEL, Titelgeschichte „Weltmacht Coca Cola“.

In unserem 8-Parteien-Wohnhaus waren wir insgesamt 25 Kinder. Oft spielten wir nachmittags auf dem Wendeplatz der Wolfram-von-Eschenbachstrasse Völkerball. Mit Jürgen, der in Sonnenberg wohnte, dessen Eltern einen Swimmingpool im Garten hatten, machte ich mal eine mehrtägige Radtour in die Gegend um Worms.

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Ich machte auch weiter mit dem in Köln begonnenen Herausgeben einer kleinen Zeitschrift. Statt mit Kohlepapier-Durchschlägen arbeitete ich mit einem Matrizendrucker, den mir mein Onkel im Schwarzwald geschenkt hatte. Den hatten sie in der Firma Sachtleben, wo er Direktor war, ausgemustert. Jetzt konnte ich schon etwas grössere Auflagen machen, wahrscheinlich so um die 20 Hefte. Eine meiner Leserinnen und Förderinnen war Frau Hund aus der Büromöbel-Dynastie in Wolfach und Biberach. Einmal schickte sie mir eine riesige Schachtel Pralinen für mich und die ganze Redaktion. Ich hatte ja noch ein paar freie Mitarbeiter.

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1967 zogen wir nach Mönchengladbach um. Dort hatte ich dann meine erste „richtige“ und grosse Liebe. Sie ist heute Kunstdozentin in Berlin.

Mit Jürgen Streeck habe ich immer noch Kontakt. Schön war die Zeit!

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Es wird ernst in Mönchengladbach (3)