Verflixte Armbanduhr

Das fing ja gut an. „Mittwochnachmittag geschlossen“. Ein erstes Anzeichen dafür, dass ich auf dem falschen Weg war mit meiner Boccia-Uhr, die ich mir bei Amazon bestellt hatte und deren Armband ein bissle zu lang war.

Als ich wieder bei meinem Chrysler angelangt war, sah ich, dass es ein paar hundert Meter in der anderen Richtung noch so ein Geschäft gab, dessen Dienste ich eventuell in Anspruch nehmen konnte. Es war natürlich nicht so ein großes Juweliergeschäft wie das geschlossene, sondern eher so ein kleiner türkischer Ramschladen.

Er hatte reichlich Armbanduhren im Schaufenster und draussen auch noch ein Schild „Kaufe Altgold auch mit Zähnen“.

Bedient wurde ich von einer jungen Frau, die mir allerdings nur die Auskunft geben konnte, dass ihr Bruder nicht da ist und ich die Uhr morgen wieder abholen könne, wenn er das Armband dann verkürzt haben würde. Okay, was sollte ich machen?

Am nächsten Tag kam ich dann um 14:25 Uhr an. Der Laden war noch geschlossen. Direkt vor der Tür und halb auf dem Gehsteig, so dass ich kaum vorbeikam mit meinem Rollator, stand ein Audi mit laufendem Motor und einem sitzenden Mann am Steuer.

Ich vermutete, dass er auf die Öffnung des Geschäfts wartete und hoffte, dass er irgendwann doch den Motor ausschalten würde. Dem war aber nicht so. Sollte ich mich auf eine Diskussion mit ihm einlassen? Der Mann sah nicht wirklich redegewandt aus.

Sieben Minuten später also um 14:32 Uhr, kam dann unser türkischer Uhrenhändler und öffnete sein Geschäft. Der Audi-Fahrer mit dem laufenden Motor stieg aus und ging in den Laden, nicht ohne den Motor auch weiterhin laufen zu lassen.

Er wurde dann von seinem Kumpel bedient, das heisst ihm wurde sein Armband um ein oder zwei Glieder kürzer gemacht. „Aha“, dachte ich, dann bin ich hier wenigstens an der richtigen Adresse.

Aber weit gefehlt. Der eine Kumpel zahlte dann dem anderen Kumpel die verlangten zwei Euro und machte sich dann daran, seinen laufenden Audi wieder zu besteigen.

Zwei Euro für eine Arbeit, die diese Leute ja doch nicht gerne machen, weil sie sich jedes Mal darüber ärgern, dass man die Uhr nicht bei Ihnen gekauft hat.

Mein türkischer Mitbürger nahm dann den Umschlag zur Hand, den ich am Vortag seiner Schwester gegeben hatte, und stellte fest, dass ein kleiner Stift fehlte. Den hatte ich schon bei dem Versuch, selber handwerkliche Arbeit zu leisten, rausgezogen und dann mit in den Umschlag gelegt. Aber jetzt war er halt weg.

Das machte aber überhaupt nichts, denn der Mann konnte mir sowieso nicht helfen, wie ich nun erfuhr. Das sei nämlich ein neues System der Uhrarmbandverkürzung, das er überhaupt noch nicht kannte. Was sollte ich machen?

Der Mann erzählte etwas davon, dass man das ganze natürlich einschicken könne und dass das halt dauert. Das wusste ich auch selber!

Dann kam ich auf die Idee, das ganze Armband auszuwechseln, sodass ich die Uhr wenigstens tragen konnte. Das schien ihm einzuleuchten. Er holte ein Armband aus einer Schublade und montierte es. Er zog es mir gleich über und ich sagte: „Ja ein bissle straff, aber geht schon.“ Und dachte weiter bei mir: Sieht halt nur scheisse aus.

Jetzt hatte ich einfach nur noch genug von allem. Ich fragte ihn, was ich ihm schulde. Worauf er ganz spontan „zehn Euro“ sagte. Und ich dachte so: „Der Kunde vor mir hat nur zwei Euro bezahlt und ist richtig bedient worden.

Und ich zahle jetzt zehn und bin auch nicht halb so gut bedient worden wie ich erwartet und verdient hätte. Ausserdem hat er ein nagelneues Titan-Uhrenarmband von mir für lau bekommen.

Was sollte ich jetzt mit einer Marken-Uhr machen, deren Armband billiger Schrott ist und auch scheisse aussieht?

Und ab welchem Punkt ist eigentlich alles schief gelaufen?

boccia

7 Gedanken zu “Verflixte Armbanduhr

  1. Also ich würde mal sagen, das fing da an schief zu laufen, als du mit der Uhr zum Ramschi an der Ecke gegangen bist. Wir gehören nun einmal zu den ungeduldigeren Menschen, aber du hättest die Uhr ganz einfach zurück schicken können und dann eine andere bestellen. Aber das dauert halt… 2 bis 3 Tage. Nächstes Mal dann.

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  2. Das mit dem Zurückschicken ist halt so eine Sache. Ich hätte ja angeben müssen, wieviele Glieder sie rausnehmen sollen. Man muss so ein Armband anprobieren. Und das geht nur in einem Laden mit einem kompetenten Servicemenschen.

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  3. Du fragst, was schiefgelaufen ist… Du möchtest „lernen“ und nächstens „besser“ machen? Vielleicht auch mit Audi vorfahren… Motor laufen lassen;-) Schliesslich ist dieser Kumpel gut bedient worden und Du nicht… Spass beiseite. Da kein absichtliches Fehlverhalten zu erkennen ist: Pech gehabt.

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  4. Ich war heute nochmal da. Alles ganz freundlich. Titan-Armband konnte er nicht mehr finden. Hat er mir ein Leder-Armband drangemacht. Kostenlos. Jetzt kann ich die Uhr wenigstens tragen. Hoffe er hat was anfangen können mit dem Titan-Armband. Keine Ahnung, was für einen Markt es für so ein beschissenes Uhrarmband gibt. Jedenfalls kann es nicht stimmen, dass der Junge nicht mehr wusste, was er damit gemacht hat. Er hat mich sofort wiedererkannt und sich an mich erinnert. Dann fragte er, wann das gewesen sei, doch wohl schon eine Woche her. Ja, sagte ich, vorigen Mittwoch. Vielleicht habe er es weggeworfen. Aha, dachte ich, ein Ramschhändler, der ein nagelneues Uhrarmband einfach wegwirft und Kunden wie mir ein altes andreht. Und als er in der Schublade kramend angeblich nach dem Titan-Armband suchte, waren seine Bewegungen so unecht, das war Show. Ich finde das amüsant, bin keineswegs verbittert. Warum fällt mir jetzt dazu ein, dass die Firma Roche, die sich in Basel ein Denkmal in Form eines architektonisch sehr schönen Hochhauses als neues Wahrzeichen der Stadt gesetzt hat, verdächtigt wird, sich an einem Vogelgrippe-Medikament namens Tamiflu dumm und dusselig verdient zu haben, das eventuell völlig wirkungslos ist. Naja, vielleicht ist das auch nur so ein Über-den-Tisch-zieh-Muster, nur im ganz grossen Stil halt.

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